Österreichs Medienwährungen fürchten Entwertung

Die Angst vor Konkurrenz dirigiert Österreichs Versagen in der Umsetzung einer HUB-Erhebung – Deutschland hingegen zermürbt sich selbst als „Land der 1000 Tests“

„Die umfassende Multimedia-Datei ist ein Megatrend, der Marktdruck steigt“, leitete Gerhard Turscanyi (TMC – The Media Consultants) die Veranstaltung „Intermediadateien – holistische Ansätze in der Reichweitenforschung“ ein. Kunden würden sich für ihre Mediaplanung vergleichbare Daten aus allen Mediengattungen wünschen und die World Federation of Advertisers (WFA) habe dafür bereits 2008 einen „Blueprint for comumer-centric holisitic measurement“ veröffentlicht.

Die Krux am Megatrend liegt wie so oft in der lokalen Umsetzung, erklärte Gerhard Franz von mm&k media effects: „Verschiedene Kampagnen und der Markt, in dem sie stattfinden, haben einen Einfluss auf die Wirkung der verschiedenen Mediengattungen.“ Internationaler Gold-Standard ist derzeit die HUB-Erhebung, eine Zentralstudie, in der taktische Medienstudien fusioniert werden und die Gattungsüberschneidungen berücksichtigt. Einige europäische Länder wie Großbritannien, Dänemark und Schweden haben den Schritt zum HUB-Standard schon geschafft.

Die Diktatur des Konjunktivs

Auch Österreichs Medienlandschaft hatte sich vor zwei Jahren entschlossen, diesen Trend umzusetzen, scheiterte jedoch an der Realität, wie Joachim Feher enttäuscht am Podium resümierte: „Es macht mich wahnsinnig traurig, dass ich zwei Jahre später wieder hier sitze und ihnen nichts Neues erzählen kann. Der Verein Media-Server, bei dem all die anderen Studien wie die AGTT mit dem Teletest, der Radiotest, die Media-Analyse, Outdoorserver, Kino, Online mit der ÖWA Interesse bekundet haben beizutreten, befindet sich noch immer in Gründung.“

Die Gründe dafür ortet Feher in der eigenen Unsicherheit: „Jeder sagt zuerst gern ‚Ja‘, aber dann kommen die ‚Aber’s. Viele die mitgearbeitet haben, wollen, dass es endlich los geht. Deshalb ist nun eine provisorische technische Kommission bestellt worden, die sich erstmals am 24. Oktober treffen wird. Diese Kommission hat von dem Verein, den es noch nicht gibt, den Auftrag für eine Pilotstudie für 2012 bekommen. Das Problem ist: Jeder hat das Gefühl, dass er dabei auch etwas verlieren könnte. Jeder hätte gerne eine Multimedia-Studie, aber sein Konkurrent soll die Daten nicht kennen. So eine große Studie ist aber nur gemeinsam zu finanzieren. Daran dürfte es liegen.“

Integrative Mediaplanung

Fakt ist: Der Mediencocktail wird immer vielfältiger, wodurch die Reichweite der einzelnen Mediengattungen sinkt. Daraus resultiert die Notwendigkeit, mehrere Medien kombiniert zu planen. Derzeit werden die Daten nach der Single-Source-Methode entweder technisch oder per Befragung erhoben, allerdings ohne Gattungsüberschneidungen zu berücksichtigen. Das große Problem neben der spezifischen Marktsituation liegt primär in den unterschiedlichen Datenerhebungssystemen und Währungen. Franz sprach sich deshalb im Sinne einer Reichweiten-Optimierung für folgende Vorgehensweise aus: „Es spricht viel für flexible Währungsparitäten. Wenn ich Nettoreichweiten über viele Medien optimieren will, dann muss ich wissen, was der eine Kontakt in Relation zum anderen bedeutet, sonst kann ich nicht multimedial planen.“

Deutschland sucht den Test-Star

Auch Deutschlands Agenturen drängen auf eine umfassende Lösung, wie Michael Hallemann von Gruner+Jahr berichtet: „Agenturen sind an diesem HUB-/Time-Budget-Ansatz hoch interessiert und hätten eigentlich gerne beides: eine Verbesserung der Intermedia-Dateien und den Hub-Ansatz.“ Problem dabei sei die Spaltung der deutschen Medienforschung in elektronischen Medien gegen Printmedien, die jede Diskussion hochpolitisch werden lasse. „Derzeit arbeiten wir in Deutschland mit einer Intermedia-Datei, die sich höchstens für eine grobe strategische Planung eignet. Dennoch wird sie in der Hälfte der Planungsfälle in einer sehr frühen Phase eingesetzt.“

Konkret wird derzeit an vier großen Projekten gearbeitet, berichtete Hallemann.

  • Die Hub-Erhebung: Die Befragung von 220 Mediennutzern im Rahmen der Pilotstudie erfolgte über PDA oder Smartphone und analysierte das Medienverhalten Viertelstundenweise bis hin zum einzelnen Medienkontakt. Die Kosten von 1000 Euro pro Fall machen diese Studie jedoch schwer bezahlbar.
  • Das „Händler-Modell“: Um bessere Bindeglieder für die Fusion der Daten zu schaffen, schlug Frank Händler, Brandscience Forscher bei OMD, vor, die Fragebögen zu entrümpeln und 20 Prozent zu nutzen, um eine andere Mediengattung abzufragen. Diese Methode wurde gerade anhand des Pressefragebogens ausgetestet.
  • Online-Integration: Die Lösung für die Verknüpfung von Online-Reichweiten mit den anderen Single-Source-Studien sind Nachbefragungen im Internet. Interessantes Detail: „Bei diesen Nachinterviews geht es nicht um die Fragen selbst, sondern um Cookie-Tracking an der Verknüpfung der sonstigen technisch gemessenen Internetnutzung dieses Clients.“ Gesucht wird dabei das Cookie des IVW, das auch zu 70 Prozent auf den Geräten der Testpersonen wiedergefunden worden sei, sagt Hallemann, aber trotzdem gebe es auch hier ein Problem: „Man muss es den Leuten sagen, dass man da irgendwelche Daten verknüpfen will. Es muss sogar ein technisches Double Opt-In gegeben sein. Wobei: Wie erklärt man den Leuten, dass man Daten verknüpfen will, von denen die Leute nicht mal wissen, dass es sie gibt?“
  • In spätestens zwei Jahren plant die AG Fernsehforschung eine Konvergenzwährung namens „instream“ einzuführen, eine Verknüpfung von Bewegtbildwerbung und Bewegtbildumfeldern. Es besteht, laut Hallemann, ein großes Interesse daran, Bewegtbild und Fernsehen zusammenzubringen.

Abschließend gestand sich Hallemann zu, öffentlich zu träumen: „Das Ideal wäre ein Super-Panel und ein Super-Hub. Online geht das ja heute, aber Online in die Medienforschung zu integrieren, ist bei klassischen Forschern für Währungsstudien derzeit noch ein Tabu . Ein Online-Panel mit 100.000 Leuten, wo man die anderen Mediengattungen andockt, könnte ich mir schon vorstellen. Diesen Weg zu gehen wäre auch zahlbar und man hätte eine echten Hub, wo man Schnittstellen herstellen könnte.“ (Tatjana Rauth/derStandard.at/20.10.2011)

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