„Wir wollen keine Sklaven der Likes werden“
Social Media Report 2011: Kleine Budgets, Red Bull als Best Practice und Probleme mit der qualitativen Aussagekraft von Kennzahlen
Die New-Media-Agentur Digital Affairs und das Marktforschungsinstitut Integral haben am Freitag den „Social Media Report 2011“ vorgestellt. Der Bericht basiert auf den Daten des Austrian Internet Monitors und des Social Media Radars und will österreichischen Unternehmen durch Analysen zu kommerzieller Nutzung, plattformspezifischen Dynamiken, User-Incentivierung und Werbemöglichkeiten eine Anleitung zur effizienten Nutzung neuer Kommunikationskanäle sein.
„Seit Mitte 2011 verwendet jeder zweite Internetuser in Österreich regelmäßig auch Social Media. Das ist mehr als eine Verdreifachung innerhalb von vier Jahren“, erklärte Bertram Barth, Geschäftsführer von Integral. Seiner Beschreibung nach verschmilzt das Social Web die vier Grundnutzungsarten des Internet: Kommunikation, Information, Unterhaltung und Alltagsorganisation. In Österreich werden die Plattformen von Männern und Frauen gleichermaßen stark genutzt, allerdings spielen soziodemografische Komponenten bei der Internetnutzung eine Rolle.
Traffic-Maschine Facebook
Bei der Untersuchung der dominanten Plattformen hatte der Report wenig Überraschendes zu bieten: Facebooks Mitgliedszahlen sind im letzten Jahr stark gestiegen, die aller anderen Netzwerke wie Xing, Twitter, Netlog.Com oder Myspace.com gesunken. „Facebooks Konzept hat sich am besten bewährt, ganz nach dem Motto ‚The winner takes it all'“, analysierte Judith Denkmayr, Geschäftsführerin von Digital Affairs, „Social Media spricht das Bedürfnis der Menschen nach kontinuierlicher Rückversicherung über ihr soziales Nahfeld an. 2013 soll die mobile Nutzung erstmals jene auf dem Stand-PC überholen und das bedeutet in erster Linie eine weitere Verstärkung von Social Web.“
Für Unternehmen interessant: Laut dem „Social Media Report 2011“ werden Empfehlungen von Freunden und Bekannten von 76 Prozent der Befragten als sehr glaubwürdig eingestuft, Werbung im Internet hingegen schneidet mit 13 Prozent vergleichsweise schlecht ab. Von diesem sozialen Vertrauenseffekt, der „social proximity“, die sich innerhalb der Netzwerke aufbaut, könnten Unternehmen stark profitieren, etwa um asymmetrischem Kaufverhalten entgegenzuwirken, zog Barth Schlussfolgerungen aus dem Zahlenmaterial.
Sklaven der Likes
„Es gibt einen Paradigmenwechsel in der klassischen Unternehmens- und Marktkommunikation“, konstatierte Denkmayr: „Das lässt sich einerseits durch das Glaubwürdigkeitsproblem der klassischen Werbung erklären, andererseits haben sich die User im Social Web organisiert und protestieren gegen die professionalisierte Kommunikation.“ Die Konklusion daraus sei, Kommunikation kontinuierlich und auf Augenhöhe zu führen und sich auch kritischen Fragen zu stellen.
Eine zusätzliche Schwierigkeit ergebe sich aus dem Faktum, dass man bis jetzt aus keiner der marktüblichen Kennzahlen einen Return on Invest (ROI) ableiten könne, erklärte Denkmayr im weiteren Verlauf. „Wir verwenden vor allem Engagementzahlen (Anm. d. Red.: Likes, Kommentare, Shares, Reichweitenvergrößerung), nehmen von Kennzahlen aber generell Abstand, da sie fast nie wirklich was aussagen. Wir wollen keine Sklaven der Likes werden. Deshalb sehen wir Social Media eher im Pressebereich und der Unternehmenskommunikation angesiedelt.“ Analysen, welche qualitativen Motivationen hinter den Engagement-Zahlen stehen, sehe man erst für die kommenden zwei Jahre. „Das Zahlenmaterial ist bereits vorhanden, aber die Zahlungsbereitschaft für derartige Erhebungen ist noch nicht da“ erklärte Berth. Auch das Gros der Sentiment-Analysen sei nicht wirklich aussagekräftig, schmälerten die Experten die Bedeutung von Kennzahlen in der Social-Media-Planung weiter.
Best Practice bei Red Bull
Alles richtig zu machen im Social Web scheint Red Bull. Das Unternehmen führt das Ranking österreichischer Unternehmen auf Facebook an, und kann zusätzlich mit den größten Fanzuwächsen aufwarten. „Besonders Medienunternehmen haben in den letzten Jahren crossmedial neue Konzepte entwickelt und stark dazu gelernt“, lobte Denkmayr und stellte vor allem das Vorgehen der österreichischen Radiosender in den Vordergrund. Auch zur Contenterstellung wurden im Rahmen der Pressekonferenz Tipps gegeben: Die Inhalte sollten einfach gehalten werden, Links und Fotos gehen vor Videos. Besonders effektiv gestalten sich Interaktionsaufforderungen, am wirksamsten als Frage und unter der Verwendung von wenigen Zeichen formuliert. (Tatjana Rauth/derStandard.at, 4.11.2011)