Blogger haben Angst vor Geld

Was brauchen die Blogger wirklich? Geld, Rechtsschutz, mehr Aufmerksamkeit? derStandard.at/Etat hat sich in der Szene umgehört

Laut dem 90-Punkte-Programm vom Semmering ist bis Herbst 2012 eine Reform der Presse- und Publizistikförderung geplant. Im Fokus steht, neben der Förderung der Vielfalt und Zukunftssicherung, die Anpassung und Modernisierung durch Berücksichtigung der digitalen Medien. derStandard/Etat hat sich nun in der österreichischen Blogosphäre umgehört, ob staatliche Einflußnahme durch monetäre Förderungen überhaupt erwünscht ist oder die Szene alternative Vorschläge für das Gedeihen journalistischer Meinungsvielfalt im Netz parat hat.

Blogger in Österreich haben es generell nicht leicht: die Web 2.0 Community ist bescheiden groß, die Werbemöglichkeiten werden dadurch automatisch eingeschränkt und offizielle Blogcharts gibt es auch nicht. Umso mehr verwundert es, dass der Großteil der Befragten der Frage „Halten Sie Ihren Blog für förderungswürdig und würden Sie gegebenenfalls eine Förderung beantragen?“ mit großer Skepsis und Ablehnung begegnet.

Freiheit statt Bürokratie

Die meisten geben an, Ihre Blogs nur als Hobby zu betreiben und bekommen bei dem Wort „Förderung“ kafkaeske Anwandlungen. „Mein Blog läuft nebenbei“ erklärt Luca Hammer von 2-blog.net. „Wenn ich das Wort Förderung höre, hat das immer schon den Beigeschmack, dass man Formulare ausfüllen und gewisse Auflagen erfüllen muss, unter denen man die Förderung bekommt. Erst wenn es um eine hohe Förderung gehen würde, wäre es interessant, ansonsten ist der Aufwand zu groß.“ Auch Stefan Bachleitner, Managing Partner von „The Skills Group“ der unter politikon.at bloggt, kann sich mit der „Vorstellung, dass ein Blogger ein Formular ausfüllt und Nachweise bringen muss“ nur schwer anfreunden.

Der Kriterienkatalog

Besonders verbreitet ist die Angst vor einer möglichen politischen und behördlichen Einflußnahme durch den Erhalt einer Förderung. Wenn also schon eine Unterstützung, dann nur verbunden mit größtmöglicher Freiheit. Ein paar Kriterien ließen sich die Blogger auf Nachfrage dann aber doch einfallen, schließlich soll das Gießenkannenprinzip nicht auch in der Onlinemedienwelt seine Kreise ziehen. Hier eine Sammlung der Vorschläge:

  • Regelmäßige Erscheinungsweise
  • Gründungsdatum
  • Verpflichtung zum journalistischen Kodex
  • Unabhängigkeit
  • Content: politische, gesellschaftliche und ökonomische Inhalte
  • Sprachqualität
  • Ausbildung von Journalisten
  • Recherche
  • Innovation
  • Neue Formen des Journalismus
  • Zugriffe

Wichtig sei, dass die Auswahl von einer unabhängigen Jury getroffen werde, gibt Journalist und Sachbuchautor Robert Misik von misik.at zu bedenken.

Wann ist ein Blog ein Blog?

Neben den diskussionsstiftenden Kriterien betonen sowohl Bachleitner als auch Florian Klenk, stellvertretender Chefredakteur des „Falter“ der unter florianklenk.com bloggt und Gerald Bäck, Geschäftsführer von „Digital Affairs“, mit seinem Blog baeck.at, dass es selbst unter der Voraussetzung, dass man sich auf Kriterien einigen könnte, sehr schwierig sei, die Grenze zwischen einem Online Medium und einem Online Blog zu ziehen.

Ein gutes Beispiel dafür sind Bloggerplattformen wie neonliberal.at. „Wir haben den Blog gegründet um zur Medienvielfalt in Österreich beizutragen. Es gibt keine Blattlinie, sondern es geht darum, dass man seine freie Meinung äußern kann“, erklärt der Vereinsvorstand die ehrenamtlichen Bemühungen. „In Österreich besteht die Web 2.0 Community aus ein paar hundert Leuten, die reagieren und Beiträge auf Tweets verlinken. Den Blog zu betreiben ist sehr zeitaufwendig. Fünf bis sechs Leute sind regelmäßig beschäftigt, darunter einer, der sich nur um die technischen Dinge wie Plug-Ins und Updates kümmert oder wenn es Probleme mit der Seite oder dem Server gibt. Gleichzeitig ist es sehr wichtig, aktuell zu sein und regelmäßig zu posten. Allein ist es fast nicht schaffbar, immer zu reagieren.“

Der Blogger-Preis

Gespalten stehen die befragten Blogger auch der Idee eines Blogger-Preises gegenüber. Bachleitner würde darin eine postive Entwicklung sehen. „Man vergibt Preise, die dem Blog das bringen, was am wichtigsten für ihn ist, nämlich Aufmerksamkeit und User. Das kann eine sehr wirksame und leicht umsetzbare Fördermaßnahme sein, auch für viele Blogs, die vielleicht keinen zivilpolitischen, aber einen wirtschaftlichen Nutzen haben.“ Mode-Bloggerin Maria Ratzinger von stylekingdom.com hat in diese Idee eher wenig Vertrauen, denn es komme „darauf an, wer darüber berichtet und welche Kategorien es gibt. Außerdem sind die, die es interessiert, ja sowieso unterwegs.“ Auch Luca Hammer, Head of Communications bei work|i|o, steht einem Blogger-Preis eher differenziert gegenüber. „Beim Grimme-Online-Award gewinnen immer nur die großen Blogs. Man müsste darauf achten, dass auch mittlere und kleine Blogs Aufmerksamkeit bekommen.“

Die Start-Up-Förderung

Florian Klenk kann sich als Alternative zur regelmäßigen Förderung eine staatliche Unterstützung für Start-Ups vorstellen. „Wenn junge Journalisten etwas ausprobieren wollen, zum Beispiel eine Investigativ-App gründen, aber nicht genug Geld haben, könnte sie der Staat mit einer Art Start-Up-Förderung unterstützen. Ich denke an den Satz: ‚In Österreich ist kein Qualitätsjournalismus möglich‘. Wenn der Staat die Zukunft des Journalismus fördern will, könnte er hier ansetzten.“

Der Rechtsschutz

Spätestens seit dem öffentlich bekannt gewordenen Fall, bei dem ein Blogger von diewahrheit.at nach einer Klage von „Kleider Bauer“ für ein veröffentlichtes Video mit einem Anwalt aus dem Tierschützer Umfeld für einen Vergleich 5.000 Euro bezahlen musste, ist klar, dass auch die österreichische Blogosphäre von einem Rechtsschutz profitieren würde. „Es geht darum, dass man sich rechtlich gegenseitig absichert“, erklärt Gerald Bäck, der schon kurz davor stand, einen Bloggerverein zu diesem Zweck zu gründen, dann aber aus Zeitgründen wieder davon abließ. „Ein Journalist hat immer den Verlag oder das Medium im Hintergrund und ist so halbwegs abgesichert. Es gibt immer wieder Fälle, wo Blogger verklagt oder abgemahnt werden und sich meist im Vorhinein schon auf einen kostspieligen Vergleich einlassen, obwohl sie wahrscheinlich im Recht wären.“

Content ist wichtiger als das Trägermedium

Lifestyle-Bloggerin Michaela Ambos von cooloutfit.at bringt den Konsens aller Gespräche auf den Punkt: „Prinzipiell würde ich immer nach dem Inhalt und nicht nach dem Trägermedium gehen. Solange der Inhalt qualitativ hochwertig ist, ist er auch förderungswürdig.“ Die Folge davon kann auf lange Sicht nur die Änderung des bestehenden Pressseförderungsgesetzes sein. Andreas Unterberger, unter andreas-unterberger.at bloggender Ex-„Wiener Zeitung“-Chefredakteur, hält fest: „Wenn man davon ausgeht, dass Demokratie die Vielfalt unabhängiger Medien braucht, wäre eine Förderung für Blogs im Grunde genauso legitim, wie es eine Radioförderung, eine Fernsehförderung, die ORF-Gebühren und eine Printförderung gibt.“

Die Umfrage erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Um weitere Vorschläge kundzutun oder auf erwähnte Punkte einzugehen, bitte das Forum zur Diskussion zu nutzen. (Tatjana Rauth/derStandard.at/11.08.2011)

Blogs in alphabetischer Reihenfolge:

  • Michaela Ambos: cooloutfit.at
  • Stefan Bachleitner: politikon.at
  • Gerald Bäck: baeck.at/blog
  • Luca Hammer: 2-blog.net
  • Florian Klenk: florianklenk.com
  • Robert Misik: misik.at
  • Maria Ratzinger: stylekingdom.com
  • Markus Wilhelm: dietiwag.org
  • Andreas Unterberger: andreas-unterberger.at
  • diewahrheit.at
  • neonliberal.at

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